„Prüft aber alles und das Gute behaltet.“
1. Thessalonicherbrief 5, 21
Wir leben in Zeiten, in denen sich unsere Gesellschaft rasant verändert und immer vielfältiger wird. Und manche begrüßen jede Neuerung, während andere lieber das Althergebrachte verteidigen wollen. Und gleichzeitig steigt die Vielfalt in unserer Gesellschaft und der Streit zwischen den verschiedenen Ansichten wird zum Teil erbittert geführt.
Was uns als Problem der modernen Gesellschaft erscheint, ist eigentlich eine uralte Frage. Wie reagieren wir auf neue Herausforderungen und wachsende Vielfalt? Diese Frage ist so alt, dass sie sogar im ältesten Text des Neuen Testaments thematisiert wird. Dort schreibt der Apostel Paulus in seinem ersten Brief an die Gemeinde in Thessaloniki zu diesem Thema: „Prüft aber alles, und das Gute behaltet.“
Die von Paulus gegründete Gemeinde in Thessaloniki lebte in einer antiken Hafenstadt, in der Menschen aus allen Ländern der Welt zusammenkamen. Und sie brachten unterschiedlichste Religionen und Kulte, philosophische Überzeugungen und Wertvorstellungen mit und stellten damit die junge christliche Gemeinde vor Ort vor viele Fragen. Wie umgehen mit dieser Vielfalt? Wie offen dürfen wir sein? Welche Glaubensgrundsätze, sind unaufgebbar, welche veränderlich? Und wie sieht eine gute christliche Lebenspraxis aus?
„Prüft aber alles, und das Gute behaltet.“ Eine ziemlich pragmatische Antwort, die Paulus hier anbietet. Aber er weiß, wovon er spricht. Er war als Verteidiger einer strengen jüdischen Gesetzesfrömmigkeit aufgewachsen und hatte zunächst die Anhänger des neu entstehenden christlichen Glaubens verfolgt. Was neu und anders war, als er es gelernt hatte, das konnte nicht gut sein. Aber dann machte er die umstürzende Erfahrung, dass ihm der auferstandene Jesus begegnete. Und nach diesem Damaskuserlebnis wurde er zu einem Missionar des neuen Glaubens und zum Begründer eines Christentums, dass sich nicht mehr an die alten Gesetzesvorschriften des Judentums gebunden sah. Er hatte sich also nicht nur auf etwas für ihn wirklich umstürzend Neues eingelassen, sondern es zu seinem Lebensinhalt gemacht.
Die von Paulus formulierte Jahreslosung für das Jahr 2025 enthält auch für unsere Zeit eine praktische Grundhaltung für neue Herausforderungen: Seid offen für das Neue, denn es könnte gut sein. Aber prüft das Neue daran, ob es sich als gut erweist. Und wenn ja, dann behaltet es bei und nehmt es in Eure Lebens- und Gemeindepraxis auf. Dass dieser Vorgang des Prüfens intensive Diskussionen auslösen kann, ist klar. Aber die sind es wert, geführt zu werden, weil wir nur so auch in einer sich schnell verändernden Gesellschaft immer wieder das Gute aus den vielfältigen neuen Möglichkeiten herausfiltern und in unser Leben integrieren können.
Dr. Ralf Dziewas
(Professor für Diakoniewissenschaft und Sozialtheologie an der Theologischen Hochschule Elstal