Junger Wein gehört in neue Schläuche.
Mk 2, 22
Ich schätze es sehr, wenn es uns Menschen in Gemeinde und Gesellschaft gelingt, das Alte mit dem Neuen zu verbinden. Denn ich liebe Altes und ich liebe Neues. Gerade die Verbindung aus Altem und Neuem macht für mich ganz häufig die Schönheit des Lebens aus. Wer könnte Neues schätzen, wenn er nicht zugleich um Altvertrautes wüsste? Und wer kann den Kitzel des Neuen und Unbekannten genießen, wenn da nicht zugleich die Ruhe und Vertrautheit des Alt-Bekannten wären? Es kann ein großer Segen sein, Altes und Neues zu verbinden.
Aber manchmal geht das nicht. Es gibt Situationen auf dem Weg des Lebens und des Glaubens, da muss sich das Neue vom Alten trennen, da müssen Bisheriges und Neues unterschiedliche Wege gehen, weil sonst beides verloren geht. Aus einer solchen Situation stammt der Spruch für diesen Monat. Jesus ist mit seinen Jüngern unterwegs und den Menschen fällt auf: Die Jünger des Johannes und die Pharisäer fasten viel, aber die Jünger Jesu tun das nicht. Warum eigentlich? Jesus erklärt es. Er sagt sinngemäß – und sehr vereinfacht – in den Versen zuvor: Fasten ist ein Weg, Gottes Eingreifen herbeizusehnen. Allerdings: Ich, Jesus, bin Gottes Eingreifen. Für meine Jünger gibt es gerade nichts herbeizusehnen, weil das Ersehnte in mir da ist. Darum ist für sie gerade keine Zeit der Sehnsucht nach dem, was fehlt, sondern eine Freudenzeit über das, was da ist. Für sie ist gerade nicht Fasten, sondern Feiern und Staunen dran! Fasten und Feiern, das passt genauso wenig zusammen wie junger Wein und alte Schläuche. Schläuche, das waren in der Zeit Jesu Aufbewahrungsbehältnisse für Wein, die meist aus Tierhäuten gewonnen wurden. Und es war genauso, wie Jesus sagt: Neuer, gärender Wein gehörte in neue, flexible Schläuche, denn dieser Druck des Gärens konnte alte Schläuche zum Bersten bringen. Und dann waren am Ende beide verloren: der neue Wein und die alten Schläuche.
Und das ist auch eine Wahrheit des Glaubens und des Lebens: dass manches Neue nicht in alte Formen gepackt werden darf, weil sonst beides kaputtgeht. Nehmen wir an, Sie würden ab morgen ein ganz neues Leben auf Wanderschaft beginnen – und Ihr Haus auf diesen Weg mitnehmen! Das würde am Ende beides kaputt machen: die Wanderschaft und das Haus (von Ihrem Rücken ganz zu schweigen). Nein, ein verwurzeltes Leben passt zum Haus, und ein Leben auf Wanderschaft zum Zelt. Und wer beides liebt, vermischt es nicht. Für das neue Jahr wünsche ich Ihnen genau das: Liebe zum Alten und zum Neuen; und den Mut, Neues und Altes nicht zu vermischen, wenn es für beide das Beste ist. Denn: Junger Wein gehört in neue Schläuche.
Pastor Dr. Maximilian Zimmermann
Professor für Systematische Theologie an der Theologischen Hochschule Elstal