Was kann uns scheiden von der Liebe Christi? Bedrängnis oder Not oder Verfolgung, Hunger oder Kälte, Gefahr oder Schwert?
Römer 8, 35
Der Apostel Paulus formuliert in diesem Satz zwei Fragen. Aber eine Antwort gibt er nicht. Wer die Bibelstelle kennt, weiß, dass die Antwort im Kontext des Verses gegeben wird. Aber die Fragen haben es in sich. Deswegen lohnt es sich, dass wir zunächst die Spannung aushalten, bevor wir uns die Antwort sagen lassen.
Es sind Fragen, in denen sich ein existentielles Ringen ausspricht. Das Ringen um die Gewissheit, ob Gott in notvollen und entbehrungsreichen Lebenssituationen noch unverbrüchlich an unserer Seite steht. Sind wir noch in seiner Hand? Oder erweisen sich die biblischen Zusagen der Treue Gottes nicht doch als warme fromme Worte. Das sind sehr ernste Fragen. Nicht Wenige stellen sie sich.
Ich denke z. B. an Menschen in der Ukraine, die zwischen zerbombten Häusern am eigenen Leib eine unselige Mischung von alldem erleben, was Paulus beschreibt: die Kälte des Winters; Schikane durch marodierende russische Soldaten; die ständige Gefahr, dass die Bombardierung wieder losgehen kann. Ich denke an Menschen, die angesichts seelischer Bedrängnis nicht ein und aus wissen; an solche, die unter bedrohlichen Krankheiten leiden; an Christen, die in ihrer Heimat um ihr Leben fürchten müssen, wenn sie offen ihren Glauben bekennen. Sind diese Erfahrungen vielleicht doch stärker als Gott?
In solchen Situation genügt es nicht, einfach nur „Nein, sind sie nicht“ zu sagen. Es braucht schon ein bisschen mehr, um Zuversicht zu gewinnen.
Lassen wir uns die Antwort die Paulus gibt, neu zusprechen: Gott ist für uns (V. 31). Er ist so für uns, dass er alles für uns gibt. Nämlich einen Teil von sich. Seinen Sohn Jesus Christus. Er geht für uns in die tiefste Not des Leidens, um dort ein göttliches Netz zu spannen, das uns auffängt; um eine unsichtbare Verbindung zwischen ihm und uns herzustellen, die stabiler ist als alle Anfechtungen und Zumutungen dieser Welt. Dieser Weg Jesu ist Ausdruck einer Liebe, die sich voll und ganz hingibt. Er ist das Siegel, dass Gott endgültig und unverbrüchlich zu uns steht. Von nun an hat er einen letzten Anspruch auf unser Leben und sonst keine Macht der Welt. Nichts Geschaffenes ist stärker als der Schöpfer, die tragende Kraft, die uns unserem Ziel entgegen führt. Auf diesem Hintergrund erklingt am Ende des Kapitel eine ergreifende Gewissheit, von der wir in diesem neuen Monat tragen lassen können: „Denn ich bin gewiss, dass weder Tod noch Leben, weder Engel noch Mächte noch Gewalten, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Hohes noch Tiefes noch irgendeine andere Kreatur uns scheiden kann von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserm Herrn.“
Prof. Dr. Oliver Pilnei
Theologische Hochschule Elstal