Jesus Christus spricht: "Wer sagt denn ihr, dass ich bin?“
Matthäus 16, 15
Es ist eine natürliche menschliche Neigung: Wenn wir mit etwas Neuem konfrontiert werden, versuchen wir, das Neue in Kategorien einzuordnen, die uns bequem und vertraut erscheinen. Die religiösen Führer zur Zeit Jesu wollten Jesus nach ihren eigenen Vorstellungen und Erwartungen verstehen. Sie erkannten nicht (und auch wir begreifen dies heute oft nicht), dass es nur möglich ist, die wahre Identität Jesu zu verstehen, wenn wir unsere menschlichen Erwartungen beiseitelegen und uns von Jesu eigener Lehre über sein Leben und seine Mission leiten lassen.
Zu der Zeit, als Jesus predigte, gab es viele religiöse Menschen, die glaubten, dass Gott einen politischen König schicken würde, der eine Armee gegen die römischen Besatzer anführt. In gewisser Weise trafen die Erwartungen des Volkes zu: Jesus wird sein Volk tatsächlich befreien, aber weder durch militärische Eroberung noch politische Macht, sondern durch Leiden, Sterben und schließlich sein Auferstehen zu neuem Leben. Jesus kommt als Befreier, aber er befreit nicht als siegreicher Kriegsheld, sondern als leidender Knecht.
Jesus möchte, dass seine Jünger dies begreifen, und stellt ihnen deshalb eine Frage, deren Antwort er bereits kennt: „Wer sagt denn ihr, dass Ich bin?“ Die Antwort der Jünger verrät uns, wie Jesus von seinen Zeitgenossen wahrgenommen wurde. Die Menschen nahmen an, dass Jesus ein Prophet war, etwas, das sie bereits kannten: vielleicht jemand wie Johannes der Täufer, Elia oder Jeremia. Die Menschen hatten nicht unrecht, aber in Jesus lag eine noch tiefere Identität als die eines Propheten verborgen. Jesus stellt also diese Frage, weil er spürt, dass seine Jünger endlich zu begreifen beginnen, wer er wirklich ist: Jesus war, anders als die früheren Propheten, nicht einfach nur das Sprachrohr Gottes. Er war der verheißene Messias. Anders als der Täufer oder Jeremia hat Jesus nicht einfach nur die Ungerechtigkeit und Korruption böser Herrscher beklagt und verurteilt; vielmehr war er gekommen, um diese bösen Herrscher durch seine Auferstehung als König aller Könige und Herr aller Herren zu überwinden.
Dieser Vers sagt uns, dass die Lehre Jesu seine Jünger zu einer viel umfassenderen Erkenntnis seiner selbst geführt hatte – umfassender als die Erkenntnis, die der Menge zugänglich war. Daraus können wir lernen, dass es nur möglich ist zu wissen, wer Jesus wirklich ist, wenn wir ihm nahe sind. Niemand, der Jesus in einer rein abstrakten, distanzierten akademischen Weise studiert, wird jemals in der Lage sein, eine vollständige Antwort auf die Frage Jesu zu geben: „Wer sagt ihr, dass Ich bin?“ Erst dann, wenn wir Jesus nahe sind und seinen Lehren folgen, können wir wirklich wissen, wer Jesus ist. Keine gewöhnliche menschliche Erkenntnis, kein noch so großes akademisches Studium kann uns zu der Erkenntnis führen, wer Christus wirklich ist. So wie bei den Jüngern ist es auch bei uns: Es bedarf einer Offenbarung von oben, um Jesus, den Sohn des Zimmermanns, als den Sohn des Allerhöchsten zu erkennen. Keiner von uns kann die Frage Jesu beantworten, wenn wir uns nur auf unsere eigene Klugheit oder menschliche Wahrnehmungsfähigkeit verlassen. Nur diejenigen, die Christus eng nachfolgen, können ihn als den Sohn Gottes erkennen.
Versuchen wir also nicht, Jesus durch unser eigenes Verständnis und unsere Erwartungen einzuengen, sondern öffnen wir unsere Herzen, um die Fülle der Offenbarung Gottes zu empfangen.
Joshua T. Searle
Theologische Hochschule Elstal